Klassenzimmer mit WOW

Pilotprojekt an der Mittelschule Schnaittach trägt auch die Handschrift des Landkreises
Stand: 17.12.2025

Krasser hätte er nicht sein können, der Unterschied zwischen Raum A und B. Der eine: Pult vorne, Schülertische in Reih und Glied, ein Bild, das jeder von uns kennt. Einzig das Whiteboard versetzt einen in die Neuzeit. Szenen- beziehungsweise Zimmerwechsel. Und ja, da ist er, der Wow-Effekt, von dem später noch die Rede sein wird. Ein moderner Besprechungstisch mit einer Art Barhockern, eine überdimensionale Wabe als Rückzugsort, eine Ecke zum Relaxen – das soll ein Klassenzimmer sein? Ist es – und was für eines.

„Das ist die Zukunft“, waren sich alle einig, die sich an jenem Vormittag in der Aula der Mittelschule Schnaittach getroffen haben. Unter ihnen unter anderem mit Landrat Ben Schwarz, Bundestagsabgeordnetem Ralph Edelhäußer, Unternehmer Dr. Christian Hilz und Bildungskoordinatorin Christine Waitz eine stattliche Abordnung aus dem Landkreis Roth. Warum? „Weil das ein gemeinsam erdachtes Gemeinschaftsprojekt ist“, das in der Version 2.0 für Grundschulen durchaus im Landkreis Roth ein Zuhause finden könnte. Für Landrat Ben Schwarz ein „schöner und reizvoller Gedanke“.

Denn: „Bildung ist die wichtigste Ressource, die wir haben“, betonte er in seinem Grußwort. Das „Musterklassenzimmer“ sei in mehrerlei Hinsicht beispielgebend. Für landkreisübergreifende Zusammenarbeit und für den Mut, Dinge neu zu denken und anzulangen. „Die Menschen erwarten von uns, dass wir etwas machen statt Gründe anzuführen, warum etwas nicht geht.“ Schule und Räume müssten sich wandeln, zeigte sich Schwarz überzeugt. Genau dafür sei das Pilotprojekt eine große Chance. „Ich wünsche mir, dass wir sie nutzen.“

Schulleiterin Christine Arnold erzählte, wie es zu dem Umbau gekommen sei. „Eigentlich ging es um eine Akustikmessung im Altbestand. Was daraus werden würde, konnte keiner ahnen“, meinte sie launisch. Keiner – außer vielleicht Joachim Schnabel. Der Leiter des Schulamtes im Landkreis Nürnberger Land zog Konsequenzen aus einer für ihn erschreckenden Erkenntnis: Immer weniger Lehrer – gerade einmal 15 Prozent an Grund- und Mittelschulen - würden das reguläre Pensionsalter erreichen, weil sie vorher krank würden. Vor etwa zehn Jahren lag dieser Anteil noch bei etwa 60 Prozent. „Das können wir uns weder pädagogisch noch volkswirtschaftlich leisten“, mahnte Schnabel.

Mit eine der Haupursachen: Lärm. Messungen in besagtem Schnaittacher Klassenzimmer ergaben, dass der Pegel mit dem einer vollen Bahnhofshalle vergleichbar sei. Man müsse kein Wissenschaftler sein, um sich Auswirkungen auf das Lernvermögen und Sozialverhalten auszumalen. Schnabels Schlussfolgerung: Räume müssten den pädagogischen Anforderungen folgen, nicht umgekehrt, Schule müsse weg kommen von der Belehrungsanstalt. „Da ist ein Umdenken nötig.“

Das Ergebnis von Schnabels Überlegungen, die er dank „herausragender Partner“ in die Tat umsetzen konnte, hat mit Ausnahme von Tischen und Stühlen nichts mehr mit einem „normalen“ Klassenzimmer gemein. Da sind Einzel- und Gruppenarbeitsplätze, Trennwände, Refugien, Monitore, Whiteboards, aber auch 3D-Drucker für „händisches Arbeiten“ – und mit das Beste: Auch die Optik hat das Zeug zum Wow-Effekt.

Vor allem über Decken, Boden und Möbel sei es gelungen, den Lärmpegel (in Soll-Nachhallzeit) von 1,3 auf 0,45 zu senken – und damit sogar den Grenzwert zu unterschreiten, der in skandinavischen Ländern seit vielen Jahren Standardanforderung ist. „Somit tun wir aktiv etwas für die Lehrer- und Schülergesundheit.“

Geschaffen wurde ein Lernort, der schon Nachklang in Berlin und München gefunden hat. „Das Musterklassenzimmer hier hat das Zeug zur Blaupause“, ist sich Schnabel sicher. Rückenwind für diese Einschätzung kommt aus berufenem Munde: Dr. Alfons Frey, Direktor des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB Bayern), betonte kürzlich auf dem Deutschen Schulträgerkongress, dass das Innovationsklassenzimmer an der Mittelschule Schnaittach zur „Wallfahrtsstätte für Schulen aus ganz Bayern“ werden müsse.

In Berlin hat sich ein Fachkreis mit der Aufgabenstellung „Moderne Lernräume im Lichte der digitalen Transformation“ gegründet. In ihn hat das Bündnis für Bildung als pädagogische Experten Ulrike Hölzel (Rektorin Grundschule Hersbruck) und Joachim Schnabel. „Die Landkreise Nürnberger Land und Roth bilden somit in diesem Fachkreis die inhaltliche pädagogische Speerspitze“, ordnete Dr. Christian Hilz, Geschäftsführer der Gredinger Firma Trend interior und einer der Partner ein.

Hilz betonte, dass Wohlfühlen grundsätzliche Voraussetzung für gutes Lernen sei und regte an, möglichst flexibel zu denken. Schließlich wisse man nicht, welche technischen Anforderungen oder Veränderungen noch anstünden.

Landtagsabgeordneter Felix Locke sprach von einem bayernweit einzigartigen Projekt. Möglich wurde dies, weil die richtigen Menschen an der richtigen Stelle zum richtigen Zeitpunkt zusammengefunden hätten. „Sie können stolz sein!“ Was das Ganze in seinen Augen zudem besonders mache: „Hier wurde über Partei- und Landkreisgrenzen agiert.“ Das Ergebnis: Eine Bildungsperle, ein bestes Angebot für Kinder und Jugendliche. Locke zeigte sich überzeugt, dass das Modell Nachahmer finden werde. „Dafür ist es zu gut.“

Armin Kroder, Landrat des Kreises Nürnberger Land, verglich die Verwandlung des alten zum neuen Raum mit der von Saulus zu Paulus. Wohlfühlatmosphäre treffe auf Technik und Funktionalität, bescheinigte er und kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. „Das hier ist das beste Klassenzimmer weltweit und darüberhinaus.“ Dass sein Kollege Ben Schwarz eigens aus Roth gekommen sei, sah er als starkes Zeichen und Ausdruck des gemeinsamen Ziels, „das Qualitäts-Label Bildungslandkreise“ umzusetzen.

Bundestagsabgeordneter Ralph Edelhäußer zeigte sich begeistert, dass „die kommunale Familie in zwei Landkreisen großartig zusammengearbeitet hätte“. Seiner Meinung nach reiche ein Wow nicht aus, „das hier ist schon ein Ober-Wow“, kommentierte er das Ergebnis, das „Schule machen wird, im wahrsten Sinne des Wortes“.

Schnaittachs Bürgermeister Frank Pitterlein strich ergänzend noch die große Zahl an Menschen heraus, die sich gemeinsam für das Projekt eingesetzt haben. „Hier wird Bildung auf einem tollen Level neu gestaltet“, konstatierte er.

„Wir wollten gar nicht mehr raus“, sollten wenig später Schüler der Klasse V1 berichten und damit all das bestätigen, was sich die Ideengeber im Vorfeld überlegt hatten. Sie durften den neuen Raum als Erstes nutzen - zunächst für Mathe und Deutsch, geeignet ist er aber für alle Fächer, wie Rektorin Christine Arnold betont. Ausgemachte Lieblingsplätze gibt es auch schon: Die Arbeitsplätze mit Bistrotisch-Feeling sowie die „grüne Ecke“, die als „green box“ die ideale, weil neutrale Kulisse für Videodrehs bietet – mir nichts dir nichts ist da nämlich ein neuer Hintergrund eingespielt. „Wir sind in Schnaittach, sitzen aber am Meer“, grinst eine Jugendliche. Ganz neue Aussichten – in jeder Hinsicht.

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